Lucky´s Abenteuer – das Eichhörnchen

„Kann ich dir helfen?“, betont Lucky, da das kleine Wesen derart schlottert und Lucky nur noch ahnen kann, was es ihr erzählt.

Lucky, Queeny und Icy toben über die verschneite Koppel. Dabei knistern die weißen Kristalle wie ein Tanz aus hellen und tiefen Tönen unter ihren Hufen. Der im Tal liegende See glitzert dabei hell im Licht der Nachmittagssonne. Gleichzeitig präsentieren die Berge ihr schönstes Winterkleid. Es ist ein perfekter Tag, um sich eine schöne Zeit in der Natur zu gönnen. Sogar Pauli ist angespornt und spielt mit den Pferden auf der Koppel. Alles streng beobachtet von seiner guten Freundin Schmauli, die es vorzieht, in Ruhe am Zaun zu verweilen. Da verliert Lucky den Halt und rutscht ein wenig den Hang hinunter. Es sieht aus, als ob sie sich auf den Hintern setzen würde. Doch noch bevor es soweit kommt, steht sie wieder fest auf ihren Beinen. Sie wiehert laut auf. Nur ein paar Sekunden später rennt sie schon wieder hinter Queeny her.
Der Schnee ist einfach toll. Lucky nähert sich Pauli und stellt sich wiehernd auf die Hinterbeine. Pauli bellt aufgeregt. Er springt ebenso in die Höhe, worauf die Schneeflocken nur so über seine braune Schnauze fliegen. Er niest und Lucky lacht. Sie rennt los, als sie vor sich im Schnee einen braun-schwarzen Fleck entdeckt. Sie bleibt abrupt stehen und schlittert dabei über das Ziel hinaus. Ein Blick zurück verrät ihr keineswegs etwas über die Beschaffenheit des Objekts. Sie wundert sich, ob da unter dem Schnee ungewöhnlicherweise Zweige mitten auf der Weide liegen.

Vorsichtig tastet sie sich Schritt für Schritt heran. Schlagartig bewegt sich der Fleck und sie schreckt zurück. Ihr Herz rast. Sie atmet tief durch. Neugierig nähert sie sich erneut dem „Etwas“ und sieht einen gold-braunschwarzen buschigen Schwanz zuckend über einem Wesen liegen. Lucky pustet erleichtert Luft aus. Sie grinst, weil sie sofort an die akrobatische Gewandtheit dieser kleinen Wesen denkt, vor allem wenn sie ihr blitzschnell von Ast zu Ast folgen. Das passiert in der Regel im Wald. Dort leisten sie Annika und Lucky oft über eine weite Strecke Gesellschaft. Dennoch hat sie noch nie ein Eichhörnchen zitternd in einer Schneemulde liegen sehen. Der kleine Körper bewegt sich dabei ruckartig hin und her, wobei die goldbraunen Ohrbüschel wild hinterher wackeln. Gleichzeitig verschwimmt der weiße Bauch immer wieder mit dem Weiß des Schnees.

„Hallo, Eichhörnchen, hast du immer noch dein Sommerkleid an? Du zitterst ja wie ein alter Traktor“, meint Lucky besorgt.
Das Eichhörnchen schüttelt den Kopf. Dabei entdeckt Lucky eine Schwellung über dem linken Auge.
„Bist du krank?“
„Wenn dieser Zustand gesund ist, dann gibt es keinen Grund mehr zu leben“, erwidert das Eichhörnchen schlotternd.
„Na, na, so schlimm kann es ja wohl nicht sein, oder?“
„Schlimmer. Erst müssen wir umziehen, weil die Menschen immer mehr Bäume umhauen und dann muss ich mich in meiner neuen Heimat auch noch gegen einen Wiesel wehren! Weiter oben auf dem Berg lebt dieses gemeine Vieh in einem Garten voller Futter. Eine Schande!“

„Ein Wiesel!“ Lucky erschaudert. Sie kennt die Wieselfamilie vom Nachbarn. Der Jungwiesel büxt immer wieder aus. Dabei sprang er einmal wie aus dem Nichts vor Lucky auf den Boden. Sie erschrak so heftig, dass er für sie einem Schreckgespenst ähnelt.

„Stell dir vor, wir hatten ein tolles Winternest auf einem noch tolleren Lärchenbaum und viele Vorratslager drum herum, und natürlich in der Nähe der Wurzeln von den Nachbarsbäumen. Das heißt aberhunderte Male ein Loch scharren, eine Haselnuss oder Knospe oder Walnuss ablegen, mit der Schnauze hineinstoßen und dann die Erde zuscharren und festdrücken.“
„Das hört sich nach Arbeit an.“
Das Eichhörnchen quiekt zitternd. Dann holt es tief Luft, um Kraft für die nächsten Worte zu sammeln. „Dort gab es einen tollen Mischwald mit vielen alten Bäumen und allerlei Futter; ein Paradies! Unser schönes Hauptnest war an der Astgabel Nord. Meine Eltern haben es aus Reisig geflochten und innen mit Moos, Gras und Federn gepolstert. Einfach gemütlich und super warm. Und unsere Spielnester für den Winter …“
„Ja?“
„Die waren gigantisch. Auf einer großen Eiche war das Allerschönste von allen. Zweige umrundeten unsere Spielfreude als Schutz vor Baummarder, Bussarde und Eulen und das weiche Moos schmeichelte unserem Fell, wenn wir uns ausruhten.“
„Und?“
„Jetzt mussten wir uns hier bei euch schnell, schnell ein Hauptnest bauen, das so gar nicht gemütlich ausgepolstert ist. Na ja, die Blätter sind schon okay aber nicht so weich wie das Moos. Und eigene Spielnester gibt es hier im Wald für mich und meine vier Geschwister ganz und gar nicht.“
Pauli nähert sich vorsichtig. Er schnüffelt an Goldis buschigem Schwanz und sie fragt Lucky: „Tut der mir etwas?“
„Ich?! Nein.“ Pauli stellt sich neben Lucky, um die Sachlage im Auge zu behalten.
„Eh, bist du jetzt krank oder nicht?“, will Lucky wissen.
Das Eichhörnchen ignoriert Luckys Frage und betont aufgewühlt: „Und dann kommen da Laster an und Schnipsel die Schnips, ein Baum fällt nach dem anderen. Wir waren praktisch heimatlos und unsere Vorräte waren alle für die Katz.“
Schmauli schnurrt im Hintergrund.

„Kann ich dir helfen?“, betont nun Lucky mit Nachdruck, da das kleine Wesen derart schlottert, dass es die Wörter verschluckt und Lucky nur noch ahnen kann, was es ihr erzählt.
Queeny nähert sich ihnen und fragt: „Ist das Eichhörnchen krank?“
„Ich heiße Goldi, weil mein teilweise rotes Fell gar nicht Rot, sondern Gold ist, und ja, ich gehe davon aus, dass die Eiszeit in meinem Körper eine Krankheit ist.“
Queeny kniet sich auf die Vorderbeine. „Komm, setz dich auf meinen Rücken und schmiege dich ganz eng an mich.“
„Ich soll mich auf ein Pferd setzen?!“ Goldi ist skeptisch. Zudem fühlt sie sich zu schwach für diese Aufgabe.
„Meine Körperwärme wird dir guttun.“
Goldi versteht. Zitternd hievt sie sich auf die Beine. Sie versucht mit aller Kraft auf den Rücken von Queeny zu gelangen. Doch ohne Luckys Hilfe ist es ihr unmöglich, die den kleinen Körper mit ihren Nüstern immer höher stupst. Oben angekommen, schmiegt sich Goldi erschöpft auf Queenys Rücken. Dennoch muss sie sich mit ihren Krallen festhalten, um nicht herunterzurutschen.
Icy kommt näher und fragt: „Wo ist deine Familie?“

„Wir rennen am Tag allein herum.“ Goldi blickt auf die untergehende Sonne. „Wahrscheinlich sind sie alle im warmen Nest. Mir ist plötzlich schwindelig geworden und als ich die Augen wieder öffnete, seid ihr wie die wilden über den Schnee gerannt. Ihr habt mir ganz schön Angst eingejagt. Ein Hufschlag auf dem Kopf und ade, liebe Goldi!“
Lucky unterdrückt sich laut aufzulachen. Sie blickt ebenso zur sinkenden Sonne und seufzt. Sie würde noch gerne ein wenig länger die schöne Natur genießen. Doch Goldi hat Vorrang. „Weißt du, wo euer Nest ist?“
„Natürlich. Ich bin noch kein Jahr alt. Mein Gehirn funktioniert perfekt.“
Queeny lacht, worauf sich Goldi intensiver im Fell einkrallt. Queeny hält vom Schmerz kurz die Luft an. Dann schlägt sie vor: „Lucky, hole Annika und erkläre ihr die Situation. Wir brauchen eine schnelle Lösung.“
„Warum bringen wir Goldi nicht einfach zu ihrer Familie?“
„Weil ein krankes Eichhörnchen besser von Zweibeinern gesund gepflegt wird.“
Lucky beginnt langezogen und laut zu wiehern. Nichts passiert. Da bittet sie Pauli: „Lauf in den Hof und belle so laut du kannst. Wenn sie rauskommen, können sie mich hören.“
Pauli folgt sofort. Und es funktioniert. Kurz darauf sind Susi und Annika auf dem Weg zur Koppel. Schon an der Haltung der drei Pferde wissen sie, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Lucky läuft auf Annika zu, um einen Begrüßungskuss zu ergattern.

Als sich Annika Queeny nähert, sieht sie das Eichhörnchen auf dem Pferderücken liegen. „Da ist ein Eichhörnchen auf Queenys Rücken, Mama!“ Sie nimmt es vorsichtig an sich. „Es fühlt sich ganz kalt an. Schau, es hat sich über dem Auge verletzt. Ich glaube, da ist Eiter drinnen.“
Lucky stupst Annika am Oberarm an.
„Keine Angst, Lucky, wir kriegen das schon wieder hin.“
Lucky wiehert vor Freude laut auf. Pauli dreht sich dazu einmal im Kreis. Nur Schmauli sitzt immer noch ohne große Regung an ihrem üblichen Beobachtungsplatz am Zaun. Auch wenn sie es nicht zeigt, ist sie dennoch erleichtert, dass Goldi geholfen wird.
„Okay, habt noch ein bisschen Spaß auf der Koppel. Wir holen euch bald rein“, erklärt Annika und schon rennen die drei los.
„Es gibt einen Eichhörnchen-Notdienst“, überlegt Susi laut, „oder, hm, es ist besser wir fahren gleich zum Tierarzt. Es könnte Fieber haben.“

Eine Stunde später kommen Susi und Annika vom Tierarzt zurück nach Hause. Im Wohnzimmer hat Freddy derweilen ein kugelrundes Nest aus zwei weichen Decken gebaut. Ein kleiner Eingang führt in den Innenraum.
Goldi ist erschöpft. Langsam kriecht sie in ihr vorübergehendes Zuhause. Dort ist es flauschig warm. Sie rollt sich ein und schließt die Augen. Nur wenige Sekunden später schläft sie ein.
Freddy erwähnt: „Ist euch aufgefallen, dass wir seit Kurzem viel mehr Eichhörnchen hier haben?“
Susi nickt. „Der Trend zur Monokultur nimmt ihnen zunehmend den Lebensraum. Im Moment wird ja rundherum an mehreren Stellen gefällt.“
„Monokultur, Mama?“
„Eichhörnchen brauchen einen differenzierten Baumbestand in Bezug auf Alter und Art der Bäume, um im Wald genug Futter zu finden. Durch die Monokulturen geht die Vielfalt verloren.“
„Die Eichhörnchen flüchten vermehrt in die Gärten, wobei dieser Lebensraum auch Gefahren birgt. Regentonnen und übriggebliebener körniger Gartendünger, zum Beispiel“, wirft Freddy ein.
„Meinst du, dass sie deswegen genau jetzt zu uns kommen?“, fragt Annika.
Freddy zuckt mit den Schultern.
„Auf jeden Fall werden die Vorräte knapp. Mit der Menge an Schnee wird die Nahrungssuche schwierig“, sorgt sich Susi um die kleinen Nagetiere.
„Wir könnten für sie Fressnäpfe auf unseren Bäumen im Garten anbringen.“
„Ui, ja, Papa, das machen wir. Wie sehen die denn aus?“
„Wir bauen ein Futterbrett oder besser Futterhäuschen mit Klappe oder Zugangsloch und bringen sie erhöht am Baum an. Irgendwo in der Nähe von dicken Ästen. Wir müssen nur aufpassen, dass wir ein flaches Wasserschälchen unterbringen können. Sie brauchen täglich frisches Wasser. Es darf auf keinen Fall zu tief oder zu groß sein, sonst können sie ertrinken.“
Annika staunt. „Brauchen sie wie die Igel auch ein Schlafhaus?“
„Natürlich können wir ihnen das auch bauen, aber ich glaube, dass sich die Eichhörnchen im Wald bereits Kobeln gebaut haben. Das Nest von Eichhörnchen nennt man Kobel.“
Annika nickt verstanden zu haben. „Dann brauchen wir Nüsse, Sonnenblumenkerne und Hainbuchsamen für die Futterhäuser, oder?“
Susi und Freddy nicken.
Kurz darauf geht Annika in Begleitung von Pauli in den Stall zu Lucky.
Aufgeregt steht sie in ihrer Box und tritt auf der Stelle. Sie wiehert vor Freude, Annika zu sehen, die sie sofort am Hals streichelt.
Schmauli beißt derweilen genüsslich auf ihr Trockenfutter. Die Knackgeräusche harmonieren mit dem Rascheln des Strohs.
„Wir waren beim Tierarzt, Lucky“, beginnt Annika, worauf es totenstill im Raum wird. Alle tierischen Ohren sind auf sie gerichtet. „Sie hat gleich vor Ort eine Spritze bekommen. Ja, das Eichhörnchen ist eine Sie.“ Annika lacht, wobei alle anwesenden Tiere das natürlich schon wussten. „Die nächsten Tage bekommt sie mit einer kleinen Pipette ihre Medizin. Wir haben allerlei Futter, sodass sie je nach Verfassung versorgt sein wird. Alles wird gut, Lucky.“ Sie küsst Lucky auf die Nüstern.
Lucky wiehert zufrieden. Sie genießt Annikas Streicheleinheiten und schmiegt ihren Kopf an Annikas Schulter.
Da hört Annika ein Blubbern aus Luckys Mund kommen. Sie grinst. „Das habt ihr toll gemacht! Gemeinsam sind wir das starke Team der Retter in der Not; das L-Team.“ Annika lacht laut auf. Danach meint sie: „Ich bin so stolz auf euch!“
Lucky wiehert. „Und ich erst auf dich!“ Gefolgt von den zustimmenden Blubberlauten von Queeny und Icy, einem lauten Miau und Paulis bejahendem Murmeln.


Das nächste Abenteuer mit Lucky und ihrer Familie erscheint im Mai 2023.


Eine Kindergeschichte von Yvonne Reiter.
Bilder von Magdalena E.

Näheres zu den beiden kannst du hier nachlesen.

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